Estacion Esperanza

Rundbrief April 2022

Grüezi miteinander!

Während es bei euch nun richtig Frühling geworden ist, machen wir uns auf der südlichen Erdhälfte bereit für die unangenehmere Jahreszeit. Zwar gibt es in Lima, das ja am Pazifik liegt, nie so tiefe Temperaturen wie in den Alpen. Der Dauernebel, verbunden mit Smog, lässt einen doch immer wieder frösteln. Zudem kennen wir hier keine Heizungen und die Gebäude sind nicht isoliert.

Aber lieber als über das Wetter berichten wir über unsere Arbeit. Zuerst einmal: Uns als Familie und auch unserem Team geht es gut. Der kleine Mael ist ein Goldschatz und entwickelt sich prächtig.

Grundstück

Anfangs Jahr durften wir ja die erste Bauphase abschliessen. Wir hoffen natürlich, dass wir bald genügend Finanzen haben, um weiterzubauen. Nichtsdestotrotz nutzen wir das Grundstück schon jetzt. Mit 30 Mitgliedern unserer Jugendgruppen reinigten wir das Grundstück und räumten Steine, Holzstücke und Abfall weg. Die Jugendlichen kannten den Sinn dieser Arbeit: Die «Baustelle» so vorbereiten, dass das Kinderprogramm starten kann. Solche sowie ähnliche Hilfseinsätze helfen den Jugend- lichen, den Fokus auf andere und anderes zu richten.

Es sind Schritte zur Selbstverantwortung im eigenen Lebensbereich. Typisch dafür ist folgendes Beispiel: Yego ist 18 Jahre alt. Vor einem Jahr schloss er die Sekundarschule ab. Die zwei letzten Coronavirus-Jahre verbrachte er vorwiegend zu Hause. Aus finanziellen Gründen konnte er noch nicht mit einer Ausbildung beginnen. Diese Situation löste in ihm Stress aus und sein Selbstwertgefühl litt. Dies führte dazu, dass er zu stottern begann. Seit anfangs dieses Jahres kommt er nun in eine Jugendgruppe von EsEs und nimmt motiviert am Unihockey teil. Der Volontär- Einsatz auf dem Grundstück bereitete ihm Freude. Er hatte die gute Idee, Steine auf einem Brett zu transportieren (Foto S. 1). Die Leiter lobten ihn dafür in der Gegenwart aller andern. Das wirkte wie Medizin. Zwei Wochen später kam die Mutter bei uns vorbei. Sie war einfach dankbar, hatte doch ihr Sohn mit dem Stottern wieder aufgehört. Nun beteiligt sich Yego auch jeden Sonntagmorgen an den Gottesdiensten im Projekthaus und hilft begeistert überall mit.

Mitte April führten wir den ersten Kinder- nachmittag auf dem Baugelände durch. Wir möchten die Kinder der Nachbarslums gerne kennen lernen. Gestartet haben wir mit einem Programm, das die Freude am Lesen fördert: Lectura en tu barrio (= Lektüre in deiner Nachbarschaft).

Viele Kinder, die vor der Pandemie lesen konnten, haben dies wieder verlernt. Hauptbetroffen sind jene, die staatliche Schulen besuchen. Im Gegensatz zu den Privatschulen führten diese während der zwei Jahre Schulschliessung keinen Online- Unterricht durch. Seit Mitte März sind die Schulen jetzt wieder geöffnet. Während in den Privatschulen täglich bis zu fünf Stunden unterrichtet wird, beschränken sie die öffentlichen Schulen auf zwei-dreimal pro Woche für jede Schulklasse, und auch das nur für jeweils zwei bis drei Stunden. Es wird argumentiert, dies seien Corona-Schutzmass- nahmen. Wir haben jedoch den Eindruck, dass die Regierung wenig Wert auf Bildung legt. Die Schere zwischen arm und reich wird damit noch grösser. Erneut zeigt sich uns, wie wichtig unser Kindergarten-/Schulprojekt ist.

Doch dies ist nicht nur Zukunftsmusik: Im Projekthaus Pachacutec dürfen wir jetzt immerhin schon einen kleinen Kindergarten mit 14 Kindern führen. Grössere Einheiten sind bei diesem Gebäude nicht erlaubt. Zwei unserer Mitarbeiterinnen leiten ihn.

Täterarbeit ist der beste Opferschutz

Häusliche Gewalt gegen Frauen ist in Peru ein gewaltiges Problem. Obwohl das Gesetz die Frauen schützt, wird die Gewaltspirale selten durchbrochen. Es gibt Frauenhäuser, doch oft gehen die Frauen schlussendlich zurück zu ihren Männern. Viele Frauen zeigen ihre Männer bei der Polizei an. Doch sobald der Mann wieder lieb ist, ziehen sie die Anzeigen zurück. Und dies wiederholt sich immer wieder. Eine Trennung vom gewalttätigen Partner erscheint vielen Frauen aussichtslos. Sie sind finanziell abhängig, fühlen sich für das Familienleben verantwortlich, und geben sich selbst oft die Schuld für Probleme.

Täterarbeit gibt es in Peru nicht. Bei unserem letzten Aufenthalt in der Schweiz besuchten wir das Mannebüro Züri. Wir waren von den Resultaten der Arbeit dort beeindruckt. Nach einigen Gesprächen entstand folgende Idee: Gemeinsam wollen wir Möglichkeiten ent- wickeln, um die lokale Bevölkerung in Ventanilla für das Thema der häuslichen Gewalt zu sensibilisieren und erste Schritte in der Arbeit mit Tätern umsetzen.

Zurzeit besucht uns für drei Wochen Daniela (Fachfrau für häusliche Gewalt und Täterar- beit in Deutschland). Für nächstes Jahr ist ein Besuch eines erfahrenen Männer- und Gewaltberaters geplant. Daniela gibt einigen vom EsEs-Team sowie anderen Interessenten ihr Wissen in der Arbeit mit gewalttätigen Männern weiter. Wir versuchen, auch andere Möglichkeiten im Kampf gegen häusliche Gewalt aufzugleisen: Aufbau und Stärkung von Netzwerken und Öffentlichkeitsarbeit.

Aufstände in Peru

Unser neuer Präsident Pedro Castillo hat bis jetzt keines seiner vielen Versprechen erfüllt. Vor den Wahlen versprach er, den Armen zu helfen. Bis jetzt beschränkte sich dies auf seine eigene Familie.

Anfangs April begannen Proteste gegen die Regierung. Auch in der Schweiz wurde darüber berichtet. Es kam zu heftigen Demonstrationen mit länger dauernden Strassenblockaden. Sehr viele Leute, vermutlich die Mehrheit im Land, möchten Castillo absetzen. Castillo reagierte in seiner Angst mit einer unerwarteten 21-stündigen Ausgangssperre und rief den Ausnahmezustand aus: Niemand durfte das Wohnhaus verlassen. Dieses Mal wurden Schulen, Läden usw. also nicht wegen dem Coronavirus geschlossen. Dieser Schritt löste jedoch noch grössere Unruhen aus in der Bevölkerung. Am Mittag gingen noch mehr Leute auf die Strassen und protestierten. Die ängstlicheren Menschen verliessen zwar nicht das Haus, doch sie protestierten, indem sie auf Töpfe und Pfannen schlugen. Diesen Lärm hörte man in Lima während vielen Stunden. Castillo musste die Ausgangssperre nach einigen Stunden wieder aufheben. Die Demonstrationen, begleitet von Vandalismus, die auch Todesfälle zur Folge hatten, gehen weiter. Was wohl aus all dem noch wird?

Familie

Meine Schwester Linda, Maels Gotti, besuchte uns in Lima, zusammen mit ihrem Partner, Ramon. Während diesen zehn Tagen kam Maels erster Zahn, er lernte sitzen und ass seinen ersten Brei. Dem Rat der Kinderärztin werden wir wohl nicht vollständig folgen. Sie meinte, dass wir dem Brei täglich Innereien oder Sangrecito (Blut) vom Huhn hinzufügen sollten. Das sei sehr gut, um der Anämie (Blutarmut) vorzubeugen.

Es ist so schön zu sehen, wie Mael sich ent- wickelt. Er ist sehr sozial und liebt die Pro- gramme von Estación Esperanza schon jetzt.

Highlight im September

Info-Zvieri 2022

Am 18. September 2022 findet der Info-Zvieri im Forum Kirchbühl in Stäfa statt.

Wir wünschen alles Gute und Gottes Segen. Liebe Grüsse aus Lima

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