Estacion Esperanza

Rundbrief August 2022

Was macht man, wenn der Buschauffeur für das Jugendwochen- ende zwei Stunden vor Beginn absagt? Was passiert mit den 40 Jugendlichen, die sich angemeldet haben und kein Bus ist da? Oder was tun, wenn während der Kinderwoche plötzlich der Strom ausfällt? Gerade in dem Moment, in dem alle Kinder im Projekthaus ankommen und der gemeinsame Start mit Musik und Tanz die Freude fördern sollte?

Mehrmals tief durchatmen und sich sagen: «Es gibt sicherlich eine Lösung. Es fand sich auch in der Vergangenheit immer eine Lö- sung.» Wenn in Peru Plan A nicht funktioniert, erfindet man Plan B oder ansonsten Plan C. Ich bemühe mich, immer wieder einen Weg zu finden, damit ich in solchen Situationen meine Nerven nicht zu stark strapaziere. Die obigen Beispiele sind nämlich nur zwei, welche unseren Alltag prägen. In den vergangenen Jahren durfte ich von den Peruanern vor allem hinsichtlich Improvisation echt viel lernen.

Jugendwochenende

Ende Juli organisierten wir ein Jugendwochenende in einem Lagerkomplex. Wir rechneten mit 20 Anmeldungen. Gemäss Erfahrungen aus früheren Jahren erscheinen jeweils nicht alle. Unerwarteterweise meldeten sich zwei Tage vor Camp Beginn noch viele Jugendliche an: Insgesamt waren es 40 Teilnehmende. Sogar Lia konnte ihren Vater überreden, ihr die Bewilligung zu geben. Es war das erste Mal, dass die 18-Jährige auswärts schlafen durfte. Ihr gewalttätiger Vater willigte bis anhin nie ein. Am Tag der Abreise unterschrieb er die Anmeldung. Wegen der vielen Anmeldungen mussten wir das Küchen- und Leiterteam spontan erweitern. Und was den Bus betrifft: Nach x Telefonaten und Stress pur fanden einen neuen Buschauffeur mit einem grösseren Bus.

Schliesslich verbrachten wir zweieinhalb unvergessliche, fröhliche Tage in Cieneguilla, einer Ortschaft ausserhalb Lima. Das vielseitige Programm beinhaltete Spiele, Zeit im Schwimmbecken sowie Schoggibananen- und Marshmallows-Bräteln am Lagerfeuer. Lob- preiszeiten und tiefgreifende Momente fehlten nicht. Gott war richtiggehend spürbar. Viele unserer Jugendlichen bekommen zu Hause keine Anerkennung, fühlen sich nicht geliebt und kamen oft genug als «Unfall» zur Welt. Einige übernehmen für die kleinen Geschwistern Elternrollen, haben kein Geld, um nach Schulabschluss eine Ausbildung zu absolvieren und wissen nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. In den Gesprächen an diesem Weekend entdeckten viele Jugendliche einen überraschenden und hilfreichen Bezug zwischen ihrem Alltag und dem Glauben. Alex meinte: «Vor einem Jahr kam mein Vater bei einem Autounfall ums Leben. Seit diesem Vorfall ging ich kaum noch aus dem Haus. Ich gab Gott die Schuld am Tod meines Vaters und verschloss mich total. Der Besuch dieses Camps ist ein erster Schritt. Ich spüre nämlich, dass ich Gott brauche.» Die Mutter hat kein Geld, ihrem 19-jährigen Sohn eine Ausbildung zu ermöglichen. Nun hat der Junge den Handy-Reparatur-Kurs im unserem Projekthaus Pachacutec begonnen (später mehr dazu).

So versuchten wir, den Jugendlichen zu zeigen, dass Gott sie liebt und einen guten Plan hat für ihr Leben. Es ist oft ein langer, manchmal schmerzhafter Prozess, bis sich diese Gewissheit in ihren Herzen verankern kann. Wir hoffen, dass wir diese jungen Menschen auch in den kommenden Jahren intensiv begleiten dürfen. Beim letzten Programmpunkt erhielten alle eine Medaille. Darauf war von jedem/jeder eine Fähigkeit oder Stärke aufgeschrieben. Es handelte sich um Eigenschaften, die Kleingruppenleitende beobachtet hatten. Beispiele: Geduldig, hilfsbereit, andere motivieren können, aufmerksam zu hören usw. Das Ziel war, das Selbstwertgefühl der Jugendlichen zu stärken und ihnen zu vermitteln, dass wir das Positive in ihnen se- hen und sie wertschätzen.

Schoggibananen- und Marshmallows-Bräteln

Kinderwoche

Gleich anschliessend an das Jugendwochen- ende gestalteten je drei Tage Kinderpro- gramm im Projekthaus Kouri Hanna und im Projekthaus Pachacutec. An beiden Standorten wurde dasselbe Programm durchgeführt, was das Einsparen von zeitlichen Ressourcen (Vorbereitung) ermöglichte. Es freute uns sehr, dass viele Jugendliche während der Kinderwoche tatkräftig mithelfen wollten. Sie unterstützten uns beim Basteln, Spielen, Choreografien, Vorbereitung der Snacks, Aufräumen und Reinigen. Zuerst, während dem Jugendwochenende, waren sie Teilnehmende und jetzt in der Kinderwoche wurden sie bereits als Mit-Leitende eingesetzt. Eine neue Erfahrung für viele, welche zur Stärkung des Selbstwertgefühls beitrug.

Schulische Anschlusslösungen

Viele Jugendliche haben nach dem Schulschluss keine Möglichkeit, sich weiterzubil- den. Falls sie eine Sekundarschule absolvieren konnten, bestehen folgende Möglichkeiten:

Private Universität

Kosten bis Zweidrittel ei- nes Minimumlohns exkl. Buskosten für die Fahrt ins Zentrum und wieder zurück.

Privates Institut

Berufe lernen, welche man in der Schweiz in einer Lehre lernt. Die Kosten sind unterschiedlich, doch für viele ebenfalls zu teuer.

Staatliche Universität

Gratis. Allerdings schaffen viele Jugendliche aus den Slums wegen des tiefen Niveaus in den staatlichen Schulen den Aufnahmetest nicht. Die kostspieligen Prüfungsvorbereitungen können sich viele nicht leisten.

Aufgrund dieser Ausgangslage absolvieren nur sehr wenige Slums-Jugendliche eine weiterführende Ausbildung. Verschiedene beginnen zwar in einem Institut, doch aufgrund finanzieller Probleme müssen sie oft vorzeitig aufhören.

Neue Perspektiven: Au-Pair-Jahr / Handy-Reparaturkurs

Wir suchen nach Möglichkeiten, jungen Menschen Perspektiven zu geben. Eine Option ist ein Au-Pair-Jahr, – für Peruaner eine unbekannte Möglichkeit. Wie im letzten Rundbrief erwähnt, ist unsere Älteste für ein Jahr als Au- Pair in den USA. Nebst dem Englischlernen und Sammeln von Erfahrungen bietet das Auslandsjahr die Möglichkeit, Geld zu sparen. Au-Pairs erhalten gratis Kost und Logie und verdienen monatlich 800 USD Lohn (beinahe viermal so viel wie der monatliche Mindestlohn in Peru).

Damit junge Frauen aus den Slums diese Chance nutzen können und möchten, muss Verschiedenes überwunden werden: Keine Konstanz im Englischlernen, fehlende Verbindlichkeit, Ziele mit wenig Ausdauer verfolgen, Mentalität, dass man die Familie für ein ganzes Jahr nicht verlassen kann. Die Prägungen und die Vorbilder ihrer Eltern beeinflussen stark. Estación Esperanza möchte mithelfen, dass mehr junge Frauen ein solches Jahr absolvieren können. Voraussetzungen: Führerausweis, Grundkennt- nisse in Englisch bzw. einfache Gespräche führen können (Interviews). Zurzeit haben drei junge Frauen grosses Interesse daran. Ergänzend zu ihrem Englischkurs kommen sie ins Projekthaus für Englisch-Kommunikation.

Vor einigen Wochen starteten wir in Pachacutec zudem mit einem Handy- Reparaturkurs. Junge Menschen ohne Ausbildung können bei uns lernen, wie man Handys repariert. Die Idee ist, dass sie dank des neuerworbenen Wissens können, bald ein kleines Einkommen generieren können. Da praktisch alle Peruaner über ein Handy verfügen und dieses oft genug kaputt geht, versprechen wir uns viel von diesem neuen Arbeitszweig.

Handy-Reparaturkurs
Nancy: Au-Pair-Jahr

Wiedersehen

Ich, Miriam, und Mael freuen uns auf ein Wiedersehen am 18. September. Carlos wird dieses Mal in Peru bleiben. Das Projekt sowie Angie und Flor brauchen seine Begleitung.

Leider wurden bisher nur sehr wenige Kuchen für das Buffet zugesagt. Wir wären sehr dankbar, wenn es noch einige liebe Leute gäbe, die etwas mitbringen könnten. Falls dies für Sie / dich möglich ist, dann schreibe bitte Irina Reichmuth: irina.reichmuth@outlook.com

Wir wünschen alles Gute und Gottes Segen.

Liebe Grüsse aus Lima, Miriam und Carlos Bernales-Kühni

Mael immer dabei

Gebetsanliegen

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