Estacion Esperanza

Rundbrief Juni 2022

Die vergangenen zwei Monate waren geprägt von verschiedenen Aktivitäten sowie einer familiären Veränderung. Unsere Älteste, Nancy, ist für ein Au Pair-Jahr in die USA gereist. Ihr Traum ging nach diversen Prüfungen seitens der Au Pair-Organisation sowie Hürden seitens US-Botschaft in Erfüllung. Es gibt in den Slums kaum Jugendliche, die so eine Möglichkeit nutzen können. Wir freuen uns mit ihr. Mit Sicherheit wird dies ihren Horizont sehr erweitern.

Opferarbeit ist der beste Täterschutz

Wie im letzten Rundbrief erwähnt, besuchte uns Daniela Hirt (Fachfrau für Häusliche Gewalt und Täterarbeit in Deutschland) für einige Wochen. Die Schulungen, Fachtagungen und diversen Gespräche mit Politikern und staatlichen Stellen hinterliessen Spuren. So dürfen wir weitere Gespräche mit zuständigen Stellen in den Bezirken Ventanilla und Mi Peru führen. Die Lage in den Slums ist beunruhigend. Das traditionelle Rollenbild ist vor allem in den unteren sozialen Schichten fest verankert. Männer fühlen sich den Frauen überlegen. Gewalt ist gemäss Gesetz zwar verboten, doch die Realität sieht anders aus. Es gibt viel Gewalt gegenüber Frauen und sie wird akzeptiert bzw. es wird nicht aktiv dagegen angegangen. Frauen erzählen, dass sie ihre Männer lieber nicht bei der Polizei anzeigen.

Diese reagiert nämlich etwa so: «Was hast du wohl angestellt, dass dich dein Mann so schlagen musste?» Gemäss Erzählungen aus erster Hand wird Frauen, die nicht gerade am Verbluten sind, von der Polizei empfohlen, keine Anzeigen zu machen. Trotz Gewaltschutzgesetzen ist die Strafverfolgung unzureichend und Täter können sich von Strafen freikaufen. In Anbetracht dieser Realität möchte sich Estación Esperanza vermehrt für Opfer einsetzen und niederschwellige Täterarbeit anbieten. Täterarbeit ist der beste Opfer- schutz. Wir sind froh, dass Daniela sowie ein Fachberater vom Mannebüro Züri für weitere Schulungen Mitte 2023 nochmals zu uns kommen. Die Frauen, die Estación Esperanza besuchen, werden motiviert, nicht länger zu schweigen: «No más silencio!» Frauen werden ermutigt, sich gegenseitig zu unterstützen. Wenn man aus einer Nachbars- hütte hört, dass dort ein bedrohlicher Konflikt herrscht, soll man das nicht mit der Lautstärke des eigenen Fernsehers übertönen wollen. Eine Alternative ist, bei der ent- sprechenden Hütte zu klopfen und zu bitten, ob man etwas Zucker oder Öl ausleihen könne. Ein offensiveres Einmischen in einen Konflikt könnte gefährlich sein. In vielen Situationen stellen sich sogar die Opfer selber
auf die Seite ihrer Männer. Weil sie sich vor noch mehr Gewalt fürchten. Kennt man Opfer, soll man diese ermutigen über die Probleme zu sprechen.

„No más silencio!“ Fachfrau für Häusliche Gewalt und Täterarbeit in Deutschland

Grundstück

Die Kindernachmittage, mit welchen wir Mitte April auf dem Grundstück bzw. auf dem Baugelände in Mi Peru starteten, werden rege besucht. Das Programm der Leseförderung stösst auf grosses Interesse. Etwas, was an diesem neuen bzw. dritten Estación Esperanza Standort speziell und sehr erfreulich ist: die freiwillige Unterstützung durch Nachbar- innen. Diese laden von sich aus Kinder ein, verteilen unsere Flyers und helfen jeden Samstag tatkräftig beim Programm mit. Dank diesen personellen Ressourcen können wir an den Samstagnachmittagen nun neu auch für die Mütter ein kleines Programm mit familienspezifischen Themen durchführen. Das Team von Estación Esperanza (10 Leute) wäre sonst überfordert. Es führt nämlich am Samstag gleichzeitig Programme an allen drei Standorten durch.

Eine naheliegende Kirchgemeinde bat uns, ob sie für einen Familienanlass unser Baugelände benützen dürfen. Es gibt in der Gegend eben keine sicheren Plätze oder Räumlichkeiten für solche Anlässe. Es ist schön, dass dieser Ort schon lange vor Fertigstellung der Nachbar- schaft dienen darf.

Grundstück: Mutter lernt, wie sie ihrem Mädchen lesen beibringen kann
Kirche nutzt EsEs Grundstück

„Nie mehr pleite sein“

Letztes Jahr führten wir den Basiskurs «nie mehr pleite sein» zum Thema Umgang mit Geld durch. Nun haben wir mit der Fortset- zung gestartet. Das Angebot gilt für alle, die den ersten Kurs absolviert haben. Für Eltern, deren Kinder von uns Stipendien beziehen oder sonst schulisch unterstützt werden, ist die Teilnahme obligatorisch. Während sechs Monaten treffen wir uns monatlich einmal. Der lange Zeitrahmen ermöglicht den Teil- nehmenden, persönliche finanzielle Ziele zu erreichen: Geld für eine bestimmte Anschaf- fung sparen, Schulden begleichen usw.. Wer sein Ziel erreicht, erhält eine Medaille.

Noch wertvoller ist jedoch die Erfahrung, dass man mit einem Finanzplan und einem definierten monatlichen Budget nicht mehr konstant pleite sein muss. Anschaffungen können getätigt werden, ohne dass man immer Kredite aufnehmen muss. Die damit ver- bunden Zinsen (in Peru oft bis zu 50%) ist Geld, das anders investiert werden kann. Gemäss Schätzungen sind bis zu 80% der Menschen in Lima (ca. 11 Millionen) verschuldet. Beim Aufstellen des Monats- budgets war das Ehepaar Rodriguez ratlos. Sie kamen auf ein negatives Resultat bzw. kamen auf monatlich mehr Ausgaben als Einnahmen. Wie sie sich in der Vergangenheit organisiert haben, konnten sie sich selbst nicht erklären. Mit neuen Ideen, wie Aus- gaben minimieren (z.B. Mann nimmt Mittag- essen von zu Hause mit und kauft nicht täglich das Essen am Arbeitsort) und Ein- nahmen erhöhen (z.B. Kuchen in Nachbar- schaft verkaufen), starten sie nun motiviert in den neuen Monat.

Die Familie Flores verbrachte besonders schwierige Monate. Der Mann war arbeitslos und sie wussten oft nicht, wie sie finanziell über die Runden kommen konnten. Es kam so weit, dass sie den Strom nicht mehr zahlen konnten und er vorderhand abgestellt wurde. Nun hat der Mann vor zwei Wochen auf einer Baustelle für vier Monate eine Arbeit gefunden. Wir fragten das Ehepaar, wie sie sich auf die Zukunft vorbereiten wollen. Bauarbeiter sind nämlich oft eine Zeitlang arbeitslos, bis sie eine neue Anstellung finden. Die Antwort war: «Nun müssten wir sparen, denn wir haben momentan ein Einkommen. Doch immer, wenn wir Geld in einem Couvert auf die Seite legen, geben wir es aus. Wir wissen nicht, was wir tun können.» Der Kurs wird ihnen Alternativen aufzeigen. Wenn sie die neuen Ideen zum Umgang mit Geld umsetzen, werden sie Notfällen nicht mehr ausgeliefert sein.


Nebst der Kinder- und Jugendarbeit ist die Elternarbeit für Estación Esperanza ein grosses Anliegen. Kinder lernen Lernen … und die Eltern auch. Verbessert sich das familiäre Umfeld zu Hause, bedeutet dies mehr Lebensqualität für die Minderjährigen.

Kurs: Arbeit in Kleingruppen
„Nie mehr Pleite sein“

Wiedersehen

Ich, Miriam, und Mael freuen uns auf ein Wiedersehen am 18. September. Carlos wird dieses Mal in Peru bleiben. Das Projekt sowie Angie und Flor brauchen seine Begleitung.

Wir wünschen alles Gute und Gottes Segen.

Liebe Grüsse aus Lima, Miriam und Carlos Bernales-Kühni

Mael immer dabei

Gebetsanliegen

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