Estacion Esperanza
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Rundbrief November 2021

Rundbrief November 2021

Als erstes möchten wir uns von Herzen für alle Unterstützung – jeglicher Art – während des Aufenthalts in der Schweiz bedanken. Einige schöne Monate liegen hinter uns. So lange weilte ich schon seit acht Jahren nicht mehr in der Schweiz. Höhepunkt bildete natürlich der 24. September, als unser kleiner Mael in Männedorf gesund zur Welt kam.

Die Schweiz – ein kleines Paradies

Für unsere zwei Mädchen Angie (13) und Flor (11) waren die Monate in der Schweiz etwas völlig Neues. Für Nancy (19) erhielten wir leider keine Reisebewil- ligung. Sie nutzte diese Monate, um in Kolumbien eine Bibelschule (YWAM) zu besuchen. Nachdem die Kinder letztes Jahr wegen Corona neun Monate nicht aus dem Haus durften und dieses Jahr die Einschränkungen weiterhin massiv sind, genossen Angie und Flor die Freiheit hier umso mehr – und wir natürlich auch. In Peru sind ja die Schulen seit bald zwei Jahren geschlossen. Für uns war dies ein Vorteil. So konnten die beiden Mädchen ortsunabhängig am Online- Unterricht teilnehmen.

Es gab für sie sehr viele neue Erfahrungen: Ausflüge in die Berge, Schlittschuhlaufen, Zirkus, Zugfahren, Schlauchböötlen, Kühe melken usw. Als sie Kindergärt- ner sahen, die allein auf der Strasse unterwegs waren, fragten sie voller Schreck: «Wo sind deren Eltern?» In den Slums bei Lima dürfen Kinder aus Sicherheitsgründen nicht allein unterwegs sein. Deshalb genossen es Angie und Flor ganz besonders, als sie mit den spanisch- sprechenden Nachbarskindern einmal bis spät am Abend draussen spielen durften. In Ventanilla erlauben wir dies nicht, weil dort der Einfluss von Gleichaltrigen oft nicht gesund ist. Viele Kinder werden von den Eltern kaum kontrolliert. So kam es zum Beispiel vor, dass ein 11jähriges Nachbars- mädchen Pornografie herumzeigte. Und am Geburtstagsfest einer 10jährigen spielten sie das Flaschenspiel (Kussspiel) – unter „Auf- sicht” des 16-jährigen Bruders.

Ich muss mich nun im peruanischen Slum- Alltag wieder zurechtfinden. Wo kann ich hier mit unserem Kinderwagen spazieren gehen? Ich vermisse die Wälder und Wiesen der Schweiz. Auch das Erledigen der administrativen Aufgaben fordert mich her- aus. Ich habe das Betreuen eines Säuglings offensichtlich unterschätzt.

Kindergarten Projekt

Estación Esperanza expandierte im Jahr 2021 sichtbar. Das Projekt wurde immer bekannter, wurde immer bewusster von offiziellen Stellen in Verwaltung und Politik wahrge- nommen und Menschen auch ausserhalb des ursprünglichen Slums (Kouri Haana) betei- ligten sich mehr und mehr an unseren Aktivitäten und Angeboten.

Anfangs 2021 starteten wir mit der Arbeit im neuen Projekthaus in Pachacutec. Im Juni nahmen am Kinderprogramm knapp 20 Kinder teil; unterdessen ist die Teilnehmer- zahl auf 100 gestiegen. Es kommen auch viele Mütter, die freiwillig helfen, den «Zvieri» für die Kinder vorzubereiten. Andere nehmen an den Sportaktivitäten oder Nähkursen teil. Dank dem neuen Mitarbeiter-Ehepaar Samuel und Esther wurden auch neue Aktivitäten wie Schachkurs und Ballett eingeführt. Dabei geht es stets um das Gleiche: Prävention, Integration und den Menschen die Möglich- keit geben, Fähigkeiten zu entdecken und zu entwickeln. Das alles dient der Stärkung des Selbstwertgefühls.

Kinder lernen Lernen…und die Eltern auch Als nächste Etappe folgt der Bau des
Kindergartens. Damit starteten wir Mitte November. Vor zwei Jahren konnten wir ja an einem strategisch gut gelegenen Ort sehr günstig ein 2007 m2 grosses Grundstück kaufen. Es liegt im Bezirk «Mi Peru» und zwar zwischen den zwei Projekthäusern von Estación Esperanza. Per Bus sind die drei Standorte innert 15 Minuten erreichbar.

Für uns ist es ein Wunder, dass wir nun mit dem Bau des Kindergartens beginnen konnten. Noch im März 2021 erhielten wir von der politischen Gemeinde einen Brief mit der Nachricht «Bauen verboten». Nachdem wir 1,5 Jahre ohne Pause versucht hatten, die Baubewilligung für die Mauer zu erhalten, war das ein grosser Schock. Doch dann geschah etwas, womit wir nie gerechnet hatten: Der Gemeindepräsident starb im April an Covid. Sein engster Berater floh, da er viele korrupte Verbrechen begangen hatte. Stabstellen der politischen Gemeinde wurden ausgewechselt.

Estación Esperanza erhielt innert eines Monats die Bewilligung für den Bau einer Wand rings um das Gelände! Es stellte sich heraus, dass der Bürgermeister und seine Vertrauensperson unser Landstück für sich aneignen wollten. Ein Tag vor dem Abflug konnten wir sogar noch ein Graffiti- Wettbewerb organisieren. Die erwähnte Wand wurde zum Thema «Hoffnung» farbig gestaltet. Auf der Homepage von Estación Esperanza ist der Kurzfilm «Eine Mauer- Geschichte aus Peru» zu finden. 

In Zusammenarbeit mit einem Architekten aus der Schweiz sowie einem aus Peru gestalteten wir die Pläne für den Kinder- garten, die Primarschule sowie den öffentli- chen Bereich. Die Hälfte des Grundstücks möchten wir zu einem späteren Zeitpunkt für folgende Zwecke nutzen: Cafeteria, Hausauf- gaben-Räumlichkeiten, Sportplatz, Meeting Hall u.ä. Diese zusätzliche Infrastruktur wird unsere pädagogischen Zielsetzungen fördern und die Kontaktaufnahme zur Bevölkerung ermöglichen. Die Priorität liegt vorderhand beim Kindergarten. Zurzeit sammeln wir noch Geld für die Fertigstellen des Kindergar- tens. Bauen in den Slums von Lima ist teurer als vermutet. In der ersten Bauetappe wird das Fundament sowie das Parterre gebaut. Vor allem das Fundament ist wegen der vielen Erdbeben sehr aufwändig. Zudem besteht der Boden hauptsächlich aus Sand, was verschiedene weitere Stabilisierungsmas- snahmen erfordert.

Familie Estacion Esperanza

Wir sind von Herzen dankbar, dass wir ein sehr zuverlässiges und aktives Team haben dürfen. Die Arbeit mit allen Programmen wurde während unserer Abwesenheit hervorragend weitergeführt. Wir staunen, dass gewisse Arbeitsbereiche sogar gewach- sen und/oder verbessert wurden. Nathalia und Rodolfo, unsere Stellvertreter, haben in dieser Zeit viel gelernt. Sie wurden mit herausfordernden Situationen konfrontiert. Die schwierigste Situation war wohl, als eines Nachts der Projekt-Kleinbus gestohlen wurde. Die Delinquenten kontaktieren am darauf- folgenden Tag Rodolfo per Telefon und sprachen folgende Drohung aus: Zahlung von 1200 USD innert zwei Tage oder der Wagen wird auseinandergenommen und die ver- schiedenen Teile verkauft.

Wir mussten uns fürs Zahlen entscheiden – und waren einfach dankbar, als liebe Menschen in der Schweiz dafür aufkamen. Damit der “Deal” korrekt ablaufen konnte, mussten wir jemandem Geld bezahlen, der schaute, ob keine Autoteile ausgewechselt worden waren usw. Diesen Vermittler mussten wir extra bezahlen. Die Übergabe fand nach vier Tagen am späten Abend hinter dem Flughafen statt und von Estación Esperanza durfte nur eine Person präsent sein. Rodolfo hatte ziemlich Angst, doch Gott sei Dank verlief alles gut und er erhielt den Bus wieder zurück. Echt filmreif das Ganze!

Im Oktober nahmen Rodolfo und Nathalia zwei Kinder aus einem Kinderheim auf. Die Eltern dieser Geschwister sind Alkoholiker. Jennifer (8) und Camilo (10) wohnen nun im Projekthaus Kouri Hanna. Die Familie Estación Esperanza wächst.

Wir wünschen alles Gute und Gottes Segen. Liebe Grüsse aus Lima

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