Estacion Esperanza
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Rundbrief Oktober 2022

Rundbrief Oktober 2022

Mael und ich sind nach 5,5 Wochen CH-Heimataufenthalt wieder in Lima angekommen. Die Spaziergänge im grünen Wald, die saubere Luft in den Bergen, Besuche auf Bauernhöfen, wohltuende Gespräche mit Freunden und Bekannten sowie unvergessliche Momente mit der Familie – es hat gut getan. 

Zum Glück kommt in Lima bald der Sommer. Die Sonne drückt schon ab und zu durch die monatelange Nebeldecke.

Im aktuellen Oktober-Freundesbrief erzählen wir über die neue Struktur unserer wachsenden Jugendarbeit. Uns ist es ein grosses Anliegen, dass diese jungen Menschen nicht auf der Strasse herumhängen sondern ihren Weg konstruktiv gestalten können.

Es waren gerade BürgermeisterInnen-Wahlen in Peru. Weshalb ist das eine «frustrierende Sache» und beeinflusst auch die Arbeit von Estación Esperanza?

Gerne dazu auch den Link mit einem kurzen Film. So sieht es momentan bei uns auf dem Grundstück aus bzw. diese Aktivitäten finden schon jetzt (ohne fertige Räumlichkeiten) statt.

Grüezi miteinander

Ich wollte schon einige Tage früher mit dem Schreiben des neuen Rundbriefs beginnen, doch da es mal wieder einen Stromausfall gab, konnte ich meinen Laptop nicht aufladen. So musste mein Plan geändert werden und das Verfassen auf „mañana“ (=mor- gen) verschoben werden. Anhand dieser und anderer Dinge ist mir klar: Ich bin definitiv wieder in Lima.

Die grüne Schweiz

Zeit in der Schweiz

Nach 1,5 Monaten Heimataufenthalt sind Mael und ich nach einer 50-stündigen Reise mit etlichen Umwegen – gut in Ventanilla angekommen. Die Reise war mit Spannungen versehen, doch diese legten sich in Lima schlagartig. Es tat gut zu sehen, wie Mael glücklich war, seinen Papa und seine Schwestern wieder zu sehen. Zudem merkte man sofort, dass er in seiner gewohnten Lima-Gegend emotional ausgeglichener ist.

Schade finde ich persönlich allerdings, dass er nun „brrrr“ (Pferd) und „muuu“ (Kuh) nicht mehr im Zusammenhang mit den lebendigen Bauernhoftieren sagen kann. Er muss sich wieder mit Tierbildern im Buch begnügen. Zudem wäre es empfehlenswert, wenn er schnell selbständig gehen lernt. Im Projekthaus und auch im Freien ist Krabbeln wegen dem Schmutz nicht möglich. In der Schweiz konnte er sogar in Restaurants draussen am Boden sitzen und herausfinden, ob ihm der Kies schmeckt.

So schaue ich dankbar auf die vergangen 1,5 Monate zurück. Es war schön, viele liebe Menschen zu sehen und wir sind dankbar für die vielseitige Unterstützung sowie Ihr/euer Interesse. Immer wieder gab es Möglichkeiten, unser Anliegen, nämlich das Kindergarten-/Schulhausprojekt, bekannt zu machen. Wann wir weiterbauen können, überlassen wir vertrauensvoll Gott. Zurzeit sind wir wieder fest am Sparen.

Entdecke dein Potenzial

Seit unserem Jugendwochenende mit 40 Jugendlichen sind bereits etliche Monate vergangen. Erneut ist die EsEs-Jugendarbeit in beiden Projekthäusern gewachsen. Wir haben unsere Strategien angepasst und den „Kingdom Kids Club“ gegründet. Alle Jugendlichen, die gerne Teil davon sein möchten, haben eine Vereinbarung unterschrieben. Anstatt sich „nur“ an den Kingdom Kids-Angeboten zu beteiligen, übernehmen sie damit gewisse Verantwortungen: Zum Beispiel mindestens zweimal im Monat beim Kinderprogramm mithelfen, ins persönliche Coaching kommen, an persönlichen Herausforderungen (z.B. Verhalten in der Schule oder in der Familie) arbeiten. Es gibt ein Punktesystem. Je nach dem, ob die vereinbarte Punktzahl erreicht wird, sind sie zu den gruppendynamik-fördernden Treffen eingeladen (z.B. gemeinsam Essen gehen, Besuch in einem Park usw.). Eine weitere neue Gruppe nennt sich „los conectados“ (= die Verbundenen). Jugendliche, die im christlichen Glauben intensiver wachsen möchten, nehmen an diesen monatlichen Treffen teil.

Uns ist es ein grosses Anliegen, dass die Jugendlichen ihre Freizeit nicht auf den Strassen verbringen. Wir möchten sie begleiten, fördern und ihnen helfen, ihr Leben konstruktiv zu gestalten. Viele haben kaum vertrauenswürdige Bezugspersonen und motivierende Vorbilder in der Familie. Damit sie Bestätigung und Liebe nicht schon in allzu frühen Jahren in Partnerschaften suchen müssen, was oft zu frühen Schwangerschaften führt, möchte EsEs für sie eine Familie sein. In vielen Jugendlichen entdecken wir grosses Potenzial und laden sie deshalb ein, als Minileiter im Projekt mitzuhelfen. Das stärkt ihr Selbstvertrauen.

Sarahs Geschichte


Zum Beispiel Sarah: Für sie ist EsEs ein Ort der Zuflucht bzw. ein Zuhause. Sie ist 14jäh- rig und wurde vor einigen Monaten von ihrer Familie, die in einer Stadt am Amazonas lebt, nach Lima zu Verwandten geschickt. Ihr Alltag besteht aus zwei Dingen: Sekundarschule besuchen und für die drei überaus aktiven Cousins (4, 8 und 10 Jahre) verantwortlich sein. Oft ist sie frustriert, da diese ihr nicht gehorchen. Diese Probleme konnte sie bis vor Kurzem noch mit niemandem besprechen. Dann erlaubte ihr die Tante, die Aktivitäten in EsEs zu besuchen. Mittlerweile nimmt sie bei fast allem teil mit oder ohne ihre drei Cousins (Unihockey, Kinderprogramm, Gottesdienst, usw.). Sie meinte, dass sie sich nun nicht mehr einsam fühle und so glücklich sei, dass sie Jesus und seinen Plan für sie entdecken darf.

Angelinas Geschichte


Auch für Angelina hat ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Wir lernten sie anfangs Jahr kennen. Dazumal war sie immer super angezogen und man hatte den Eindruck, dass sie sich Mühe gab, immer aufgestellt und stark zu wirken. Plötzlich kam sie nicht mehr. Unser Leiterehepaar Samuel und Esther fanden heraus, was passiert war. Die Inputs in der Kingdom Kids-Gruppe hatten sie zum Nachdenken und schlussendlich zu einer grossen Entscheidung geführt. Sie bekam die Kraft, die heimliche Liebesbeziehung zu ihrem verheirateten und viel älteren Nachbarn abzubrechen. Doch damit kam das nächste Problem. Dieser war mit der Entscheidung nicht einverstanden und begann Angelina zu verfolgen und einzuschüchtern. Angelina traute sich kaum mehr aus ihrer Hütte. Sie erzählte niemandem von ihrer Angst. Sie schämte sich und wollte nicht, dass jemand von der Liebesbeziehung erfuhr. Intensive Begleitung von unserer Seite, viele Gespräche sowie Gottes Wirken führten dazu, dass Angelina alles ihren Eltern erzählte. Samuel und Esther konnten mit den Eltern und Angelina zusammen einen Weg finden, damit sie wieder ohne Angst leben kann. Mittlerweile freuen wir uns sehr über die grosse Mitarbeit und offene Beziehung zu dieser authentischen Jugendlichen.

Wahlen lassen keine Wahl

Vor zwei Wochen wurden in den 43 Distritos (= Stadtbezirke) in der riesigen Metropole Lima bzw. in ganz Peru neue Bürgermeister-Innen gewählt. Ich befand mich in der Schweiz und konnte nicht abstimmen. Da ich mittlerweile auch Peruanerin bin, wäre das meine Pflicht gewesen. Nun muss ich eine Strafe bezahlen. Ansonsten bekomme ich einen Eintrag, der das Abschliessen von jeglichen Verträgen unmöglich machen würde. Um ehrlich zu sein, wäre es mir schwer gefallen in Ventanilla mit Überzeugung für eine kandidierende Person zu stimmen. Viele ha- ben korrupte Vergangenheiten und ihre Wahl- kampagnen werden von Personen finanziert, die wiederum nur an den eigenen Vorteil denken. Wenn jemand den Wahlkampf ge- winnt und für vier Jahre das Amt als Bürger- meisterIn bekommt, ist er/sie den Unterstüt- zenden viel schuldig. Oft erhalten diese, ob mit oder ohne Erfahrung und entsprechender Ausbildungen, alle wichtigen Posten im Ge- meindehaus. Was das für die Qualität der Ar- beit bedeutet, kann man sich ja ausdenken.

Viele nutzen die vier Jahre vor allem, um sich selbst zu bereichern.

Anfangs Jahr wurden wir vom Gemeindehaus in Mi Peru angefragt, ob wir Geschenke im Wert von 1’300 US-Dollar für Kinder im Slum bekommen möchten. Der Haken war: Wir hätten Quittungen vom Gemeindehaus unterschreiben müssen, auf welchen gestanden wäre, dass wir Spielsachen im Wert von 3’000 USD bekommen hätten. Die 1’700 USD hätten die Verantwortlichen im Gemeindehaus privat eingesteckt. Ich staune immer wieder über die überall gegenwärtige Korruption. Traurig, denn das hindert das Land am Weiterkommen. Für Estación Esperanza bedeutet es, dass wir stark sein müssen. Ohne Korruption anzuwenden, dauert alles oft viel länger und wir brauchen mehr Kraft, Energie und auch Geld (z.B. wegen Einhalten unnötiger Kinder- garten-Bauvorschriften). Doch wir vertrauen darauf, dass Gott uns zur Seite steht.


Danke

Wir wünschen alles Gute und Gottes Segen.

Liebe Grüsse aus Lima, Miriam und Carlos Bernales-Kühni

Gebetsanliegen

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