Estacion Esperanza

Rundbrief Juli 2023

In wenigen Tagen darf ich, Miriam, mit dem bald zweijährigen Mael in die Schweiz reisen. Am 8. September kommt Carlos nach und dann bereiten wir uns gemeinsam auf die Geburt unseres zweiten Kindes vor. Geburtstermin ist in der ersten Oktoberhälfte. 

Ganz fest hoffen wir auf möglichst viele Begegnungen in der Schweiz. Diese sind stets sehr motivierend und bereiten optimal die anspruchsvolle nächste Phase in Peru vor. 

Weiterbauen, nachdem es keine Hoffnung mehr gab 

Schon im letzten Rundbrief erzählten wir, wie wenige Tage nach dem Weiterbau am Kindergarten von der politischen Gemeinde ein Baustopp verhängt wurde. Der Geschäftsführer unserer Baufirma, die auch für die bisherigen Arbeiten zuständig gewesen war, hatte den Antrag für die Baubewilligung nicht korrekt eingereicht. Er kümmerte sich aber nicht um das Verbot und baute nachts heimlich weiter. Daraufhin stoppten wir ihn. Natürlich wäre es auch dieses Mal einfacher gewesen und schneller vorwärts gegangen, hätten wir das übliche Korruptionsspiel mitgespielt. Wir waren uns der Konsequenzen bewusst, als wir uns nicht darauf einliessen: Möglicherweise jahrelange Wartezeiten. 

Nach etwa einem Monat, Ende Mai, traf Carlos völlig überraschend mit dem Bürgermeister zusammen. Schon vorher hatten wir uns um ein solches Treffen bemüht erfolglos. Nachdem Carlos von unseren Plänen erzählt hatte, war der Mann begeistert: Ein privater Kindergarten und eine Privatschule zu sozialen Preisen! Er organisierte sofort die notwendigen Besprechungen und schon einen Tag später kam die offizielle Bestätigung für den Weiterbau. 

Es ist “unglaublich”, wie oft wir im Zusam-menhang mit diesem Bauprojekt vor verschlossenen Türen standen. Und wie sie sich öffneten, als wir realistischerweise keine Hoffnung mehr hatten und einen krummen Weg hätten gehen müssen. Es wäre allzu einfach, da überall von “Zufall” zu sprechen. 

Während der neuen Bauphase ist es allerdings zu gefährlich, wie bisher das Kinder und Mütterprogramm auf dem Grundstück durchzuführen. Deshalb finden die entsprechenden Aktivitäten alternierend in den zwei angrenzenden Slums durch. Dadurch kommen wir mit immer noch mehr Nachbarsfamilien in Kontakt.  

Kurs Täterarbeit / häusliche Gewalt 

Kurs Täterarbeit / häusliche Gewalt Gemäss Statistik erleben in Peru acht von zehn Frauen häusliche Gewalt. Das sind erschreckende Zahlen. Für Daniela Hirt aus Deutschland, Fachkraft für Täterarbeit, sowie Stefan Martin vom mannebüro züri, ist Täterarbeit der beste Opferschutz. Nur ist dies bei den zuständigen Stellen in Peru kaum bekannt. Das wurde uns beim letzten Besuch von Daniela im April 2022 bewusst. In Kooperation mit dem mannebüro züri hatten wir jetzt die Möglichkeit, eine zweiwöchige Fortbildung zu häuslicher Gewalt und Täterarbeit durchzuführen. Das Angebot stiess auf grosses Interesse. 15 Personen (von EsEs sowie externe Fachpersonen wie Psychologinnen, Schulleiter usw.) beteiligten sich am Präsenzunterricht und etliche mehr via Video. Am Wochenende kamen um die 30 Teilnehmende ins Projekthaus und nahmen an den zwei intensiven Tagen persönlich teil. Diejenigen, die von weit herkamen, übernachteten in unseren wirklich sehr einfachen Schlafräumen.  

Auf Samstagnachmittag hatten wir einen der wenigen einheimischen Psychologen mit Erfahrung in Täterarbeit eingeladen. Er, als Peruaner, war für eine Vertiefung in der Gender Thematik besonders geeignet. Er ist erfahren mit der Macho Mentalität der peruanischen Männer, die mit Gewalt ihre Dominanz über die Frauen ausüben. Seine Beispiele wie z.B.: Ein Mann geht nachts in eine Bar und sieht dort eine Gruppe von acht Frauen. Er fragt: «Chicas (Mädchen), was macht ihr hier um diese Zeit so allein?» Das Diskussionsthema: Wer ist denn in dieser Situation allein? 

In Peru ist soziale Gewalt (Gewalthandlungen zur Einschränkung des sozialen Lebens, wie das Verbot oder die Kontrolle von Familien-und Aussenkontakten) nicht als eigentliche Gewaltform anerkannt. So stufen viele Frauen das Verbot ihres Mannes, sich ausserhäusig zu treffen oder die Kontrolle verbunden mit Drohungen über ihr Handy nicht als Gewalt ein. Grosses Thema ist hier der Mikromachismus, Gewalt durch Kontrolle, die sehr unauffällig beginnt und oft in Femiziden (Tötung der Frau durch den (Ex-) Partner) mündet. 

Schwieriger ist die praktische Umsetzung der Täterarbeit. Wo kann man mit gewaltausübenden Männern einen Kurs durchführen und wie kontaktieren wir sie? Häusliche Gewalt wird als persönliche Angelegenheit angeschaut und was in der Familie passiert ist wie tabu. Noch vor dem Kurs durften wir mit Daniela eine politische Gemeinde in unserer Gegend besuchen. Der Bürgermeister ist sehr interessiert an der Thematik. Er ermöglichte einigen Mitarbeitenden während der Arbeitszeit die Teilnahme an unserer Fortbildung. Er ist zudem geneigt, zusammen mit uns ein Pilotprojekt durchzuführen: Einzelsessionen oder Gruppenkurs mit Gewalttätern. Am 21. Juli durften wir am Runden Tisch Gewalt teilnehmen. Da besprechen verschiedene Institutionen (Polizei, politische Gemeinde, usw. wie die Gewalt minimiert werden kann). Wir sind gespannt, wie sich die weitere Arbeit zum Thema häusliche Gewalt entwickelt und beten für eine produktive Zusammenarbeit. 

Jugendwochenende 

Anfangs Juli verbrachten wir mit 44 Jugendlichen 2½ vielfältige und bereichernde Tage in einem Lagerhaus etwas ausserhalb von Lima. Für die Teilnehmenden sind das sehr seltene bzw. für einige die erste Erfahrungen, ein Wochenende aus den oft anspruchsvollen familiären Situationen herauszukommen. Das vielfältige Programm (Schatzsuche, Lagerfeuer, Baden, Spiele, christliche Impulse und Lobpreiszeiten), die grüne Umgebung und die wertvolle Gemeinschaft genossen die Jugendlichen sehr.

Während eines biblischen Inputs kamen Fernando die Tränen. Er erzählte nachher: Als sich seine Eltern getrennt hatten, zog sein Vater nach Guatemala und die Mutter in die USA. Er blieb bei der älteren Schwester. Mittlerweile sind einige Jahre vergangen. Ihm wurde mehrmals versprochen, dass er in die USA bzw. nach Guatemala ziehen dürfe. Vor etwa zwei Jahren organisierten wir sogar ein Abschiedsfest für ihn. Dann wurde trotzdem nichts draus. Er meinte, dass er mit Gott durchs Leben gehen möchte, er aber Angst hätte, Gott würde ihn ebenfalls verlassen. Wir können das gut verstehen. Unser Mitarbeiter Rodolfo baut nun den Kontakt zu Fernando auf und wird ihn gezielt begleiten.

Wir freuen uns sehr auf die Zeit in der Schweiz und auf unseren zweiten Sohn. 

Highlights

Termine Bad Ragaz und Stäfa 

Wichtige Daten
27. August, 09:40 Uhr:
Maienfelderstr. 13, Bad Ragaz: EsEs-Gottesdienst mit Apéro 

10. September, 14:30 Uhr:
Kirchbühlstr. 18, Stä-fa: GV des EsEs-Vereins (Gäste sind willkommen), direkt anschliessend öffentliches Jahrestreffen 

Danke

Wir wünschen alles Gute und Gottes Segen.

Liebe Grüsse aus Lima, Miriam und Carlos Bernales-Kühni

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